Was war das für ein Unterschied: zwischen dem gestrigen Freitag und dem heutigen Samstag... Die Eckdaten unterschieden sich nur von den Höhenmetern, aber die Strecke war ungefähr die gleiche. Freitag: 19 km, 800 Hm rauf, 60 Hm runter, und am Samstag 19,8 km, 1.270 Hm rauf, 1.360 Hm runter
Aber: Freitag war gähn (Schlandertag), Samstag war Wow! Wahnsinn! Brutal! Unglaublich! Sagenhaft! Traumhaft! Wunderschön!
Nach einem ganz guten Frühstück mit ein bisschen frischen Obst packte ich alles zusammen, zahlte und ging nach draußen. Puuuh, noch sehr frisch, obwohl schon die Sonne schien. Aber klar, über Nacht sollte es nur 0 Grad gehabt haben - laut App. Also bin ich im Langarmshirt los.
Der erste Weg ging noch über die Asphaltstraße durch das Dorf und weiter Richtung Ende des Tales. An einer Bachquerung sah ich in der Wiese Frost an den Pflanzen - brrrrrr. Kein Wunder, dass es noch so kalt war. Zum Glück lief ich aber in der Sonne.
Auf der nachfolgenden Schotterstraße war dann das erste Tageshighlight zu sehen: der Rocca Senghi, ein riesiger Felsbrocken - eigentlich eher ein ganzer Berg - der wie "dahingeworfen" am Berghang hängt. Es sieht so aus, als könnte er jederzeit den Hang runter kullern. Zumindest aus dieser Perspektive! Später sollte es nicht mehr ganz so spektakulär aussehen....
In einem schattigen Einschnitt rutschte mir beim Bergaufgehen plötzlich der Schuh weg. Ich war auf eine Eisplatte getreten, die sich mitten im Weg befand und aus Wasser, dass den Berg herunter floss, wohl in der Nacht entstanden war. Puuuh, kommt jetzt schon der Winter und der Herbst würde hier einfach übersprungen? Ich hoffe mal nicht. Ich habe noch ein bisschen vor mir...
Aber damit nicht genug. Im nächsten großen Einschnitt, an dessen Grund ein Wildbach floss und der seitliche Zuläufe hatte, fand ich Eiszapfen am Wasserlauf. Erst an einem Brett in Form von lauter Eiszapfen, später an anderer Stelle gefrorenes Spritzwasser und im weiteren Tagesverlauf auch Bäche, die bereits mit einer Eisschicht überzogen waren. Hilfe.... 🥶
Der übrige Weg war aber gut zu gehen, nicht zu steil, es ging über Wiesen (und ausnahmsweise nicht durch Wald) und so konnte man das tolle Bergpanorama links und rechts voll genießen. Nur im Schatten war es echt frisch, sobald man in die Sonne kam, war es angenehm. Der Aufstieg war sehr schön, ruhig, aussichtsreich und nicht zu anstrengend. Und so erreichte ich bereits um dreiviertel 12e die Scharte "Colle di Bellino" auf 2.804 mNN. Der Hochpunkt meiner heutigen Tour war erreicht - eigentlich.
Ich ging noch ein paar Meter nach oben, dort waren Reste eines Bunkers aus den 2. Weltkrieg zu erkennen. Erst schoss ist ein paar Fotos, dann ließ ich mich dort nieder und holte mein Essen und Trinken raus. Es langen ganz viele steinerne Platten herum - so konnte ich heute mein Essen mal richtig aufdecken. Sehr nobel.....
Ich saß da, schaute in alle Richtungen und konnte mich nicht satt sehen. Das Panorama war umwerfend. Unglaublich viele Gipfel, durch das fast perfekte Wetter nichts von Wolken verhüllt, die Weitsicht toll. Endlich einmal! Und so konnte ich mich entsprechend lang nicht vom meinem Platz erheben. Nur einmal nahm ich meine Stirnlampe und schaute in die Reste der Bunker - war aber weniger aufregend, als ich erhofft hatte.
Während ich dort verweilte, kamen einige Wanderer vorbei, die zum Gipfel des Monte Bellino rauf gingen, später kamen sogar Mountainbiker herunter. Sollte ich vielleicht auch nach oben gehen? Immerhin wäre ich dann auf 2.937 mNN! Und dann? Wieder hier runter und von der Scharte aus den üblichen GTA-Weg durchs Tal zum Ziel Refugio Campo Base? Oder gibt es oben auch noch Wege?
Ich schaute auf der Karte, und es gab wirklich schöne Wege, die von Berg zu Berg gingen mit einem letzten Abstieg zum Refugio. Aber wie sind die Wege zu gehen? Ausgesetzt? Schwierig? Oder doch einfacher als gedacht?
Ich packte alles zusammen und wanderte erstmal zum Gipfel rauf. War nicht mehr viel, vielleicht 100 Hm, nach einer viertel Stunde stand ich am Gipfelkreuz! Endlich mal wieder!
Dort waren auch drei Mountainbiker aus Italien. Ich machte Fotos von ihnen, sie von mir, und ich versuchte mit Händen und Füßen zu fragen, ob sie die Wege oben am 'Berg' kennen würden. Klappte nicht, da waren die Sprachhürden zu groß. Bin immer wieder überrascht, wie wenig Englisch die Italiener sprechen.... Ich überlegte weiter, sah einen Teil des ersten Weges und dachte mir: So schlecht schaut der nicht aus. Und entschied mich schlussendlich gegen die langweilige Taletappe nach GTA und für die eventuell schönere Etappe am Berg. Und wie richtig die Entscheidung war, zeigte sich dann....
Der Weg war zwar stellenweise etwas mitgenommen, aber immer sicher zu gehen. Ein leichtes rauf und runter, mal Schotter, dann Sand, und auch immer wieder Gras. Ein cooler Weg, immer leicht zu erkennen. Und so ging ich relativ flott bis in einen Bereich, wo erneut Bunkeranlagen zu finden waren. Einen konnte man gut besuchen, an dessen Ende waren zwei Schießscharten, aus denen ich Fotos 'schießen' konnte. Früher wurde scharf geschossen, jetzt nur noch digital - zum Glück.
Und weiter ging der Weg an einen Grat bzw. unterhalb von Berggipfeln entlang. Ein Bereich war dann doch etwas kniffliger und ausgesetzter, aber endlich war es auch mal wieder ein richtig schöner Weg in den Bergen mit etwas Anspruch. Über den Grat musste ich noch zur Scharte 'Colle die Rui' (2.708 mNN) hinunter, dann begann der 1.000 m-Abstieg zum Refugio. Vorher genoß ich aber nochmal diese wahnsinnige Stille. Unglaublich: wenn man sich hinsetzt und nicht läuft (und damit nicht schnauft wie eine Dampflok), ist es so unglaublich still und ruhig in den Bergen. Nur das Summen der Fliegen ist zu hören - oder Kuhglocken. Aber sonst - nothing!
Aber auch 1.000 m wollen im Abstieg erstmal bezwungen werden - also los. Der Weg war sehr gut zu gehen. Nicht steil, in schönen Serpentinen, zwischendurch sogar nur als Grasweg, später dann wieder etwas steiniger, schlängelte ich mich an imposanten Felswänden vorbei bis hinunter ins Tal. Mehr als eineinhalb Stunden brauchte ich dafür nicht. Am Refugio - es war von der Organisation und dem Feeling her eine richtige Berghütte, obwohl es im Tal auf nur 1.650 mNN lag und auch mit dem Auto erreichbar war - bekam ich einen Schlafplatz, seit langer Zeit mal wieder in einem Mehrbettzimmer, in dem sogar auch andere Personen übernachteten. Wow, das hatte ich schon ganz lange nicht mehr - war aber völlig in Ordnung.
Nur mein Bett war mal wieder..... ihr wisst schon. Und beim Abendessen hatte ich echt nette Unterhaltung mit zwei Italienerinnen und drei Holländern, mit denen ich mal Deutsch, mal Englisch redete - sie übereinander aber natürlich auf italienisch bzw. holländisch, irgendwie lustig, multinational.
War das ein perfekter Tag. Die Route war durch meinen Umweg perfekt geworden. Die Wege im oberen Bereich anspruchsvoll, aber nicht zu schwierig. Die Aussicht top, die Berge um mich herum spektakulär, ein Traum von einer Tour. Abends zählte ich fast 200 Fotos, die ich den Tag über geschossen hatte - das will was heißen. Klar, viele ähneln sich, aber es war einfach unglaublich toll heute. Und dennoch: meine Beine sind lahm und müde, so wie ich auch. Die vielen Höhenmeter mit dem schweren Rucksack machen sich schon bemerkbar. Zum Glück ist es morgen eine etwas einfachere Tour mit 'nur' 16 km, 800 Hm rauf und knapp 1.000 Hm runter. Es sei denn.... 🤔
Aber das ist eine andere Geschichte! Die erzähle ich euch morgen - wenn ihr wollt.
Bis dann! Habt noch einen schönen Samstagabend!
Knut aus dem Valle Maira
Comments