Auch die zweite Nacht am Campingplatz habe ich dank Ohrenstöpsel gut überstanden. Auch die Neuankömmlinge, eine Jugendgruppe aus Deutschland, die hier zum Feiern war, konnte mich davon nicht abhalten! Auch wenn natürlich ein Schlaf im Hotel oder in einem vernünftigen Bett besser und erholsamer gewesen wäre. Aber beim Laufen verfliegt die Müdigkeit und wenn man erstmal unterwegs ist, merkt man die Müdigkeit dann nicht mehr so.
Bevor ich vom Tag zähle, möchte ich an dieser Stelle aber noch meinen ganz herzlichen Dank an alle aussprechen, die mich mit Nachrichten und aufmunternden Worten in meinem Vorhaben bestärkt haben. Ich hatte tatsächlich einen Tiefpunkt, der mich meine Tour in Frage stellen ließ, aber der Pausentag hat mich wieder zurück in die Spur gebracht und so konnte ich heute einen weiteren Wandertag verbuchen, der zwar von der Strecke her nicht übermäßig lang und von den Höhenmeter nicht wahnsinnig hoch hinausging, aber mich weiter in Richtung Nizza gebracht hat. Also noch mal vielen, vielen herzlichen Dank für die positiven Rückmeldungen, für die vielen Komplimente und die aufmunternden Worte. Danke!
Ich hatte mir den Wecker relativ früh gestellt, da ich um 8 Uhr bereits am Supermarkt sein wollte, um einen letzten Einkauf zu machen, bevor es wieder in die Berge geht. Und ich musste ja mein ganzes Equipment incl. Zelt zusammen packen. Wie auch die letzten Tage haben mich die Mücken aber so malträtiert, dass ich mich schickte, fertig zu werden und vom Campingplatz abzuhauen. So war ich dann um 7:30 Uhr schon am Wasser, genoß dort den beginnenden Tag und die Ruhe bei leichtem Wellengang, und warte darauf, dass das Supermarkt aufmachte.
Kurzer Einkauf, alles verstaut und los ging's. Ein Frühstück war nicht richtig möglich, aber ich habe mir Brötchen mitgenommen, damit ich in der Mittagspause von meiner Wildschwein-Salami und dem Käse probieren und essen konnte.
Erst ging es durch die Vororte von Cannobio, immer am Waldrand bzw. am Rand der Bebauung entlang, und plötzlich war es endlich soweit: ich entdeckte einen Feigenbaum, der bereits rot-violett-blaue Früchte trug. Ich nahm meine Wanderstöcke und angelte mir eine Frucht herunter, die ich mit Genuss verspeiste. Ich liebe Feigen, vor allem, wenn sie frisch vom Baum kommen, und bislang war es immer so, dass alle Früchte noch grün und unreif waren. Jetzt endlich ein Baum mit reifen Früchten. Wie es natürlich immer so ist, kamen genau in dem Moment zwei Italienerinnen vorbei, die ihren Hund ausführten. Ich tat ein bisschen unschuldig und keine sagte etwas. Als sie weg waren, bin ich noch mal zurückgekehrt, um zwei weitere Früchte zu stibitzen - waren die lecker...
Am Ende der Ortschaft wollte ich in den vorgesehenen Waldweg abbiegen, der mich zur nächsten Ortschaft bringen sollte. Leider hing dort ein Schild am Flatterband, dass der Durchgang verboten sei. Warum wusste ich nicht! Ich überlegte, ob ich nicht doch hindurchgehen sollte, so wie ich es ja schon mal am Stilfserjoch gemacht hatte. Aber ich hörte eine Motorsäge, konnte sie örtlich nicht zuordnen und dachte mir, dass da eventuell gerade Waldarbeiter beschäftigt sind und wollte natürlich nicht verbotenerweise den Weg nutzen. Also entschied ich mich die Fahrstraße zu nehmen - warten nur 1,5 km Umweg. Dadurch, dass ich eben nicht unerlaubt den Weg benutzt hatte, kam ich an der Kirche Sant' Anna vorbei, wo unter anderem eine alte Steinbrücke über ein ganz tiefe und schmale Schlucht geht und weit unten ein Bach verläuft, mit riesen Wasserbassin, in dem ein paar Leute schwimmen waren. Ich ging weiter die Fahrstraße hinauf, kein toller Weg oder tolle Aussichten, aber so kommt man voran und zum Glück war nicht so viel Autoverkehr los.
Ich bog von der Hauptstraße ab und musste dann noch die Zufahrtsstraße zum Dorf über mehrere Serpentinen hoch. Ich war ungeschützt, die Sonne brannte runter und so kam ich wieder ordentlich ins Schwitzen. Aber irgendwann kommt man an und so erreichte ich das erste Dorf, ging dort durch die Straßen und zwischen den Häusern hindurch. Am Ende des Dorfes wechselte ich in den Wald hinein und zu meiner Freude entdeckte ich einen Strauch mit ganz vielen Brombeeren, die ich mir natürlich nicht entgehen ließ. So hatte ich ein drittes Frühstück: nach einem trockenen Brötchen und drei Feigen nun noch Brombeeren.
Der Weg ging auf einigermaßen gleicher Höhe schön entspannt durch den Wald, mal ein bisschen rauf, ein bisschen runter. War gut gepflegt, nicht so mit Vegetation überwuchert, und so konnte ich mich langsam aber stetig weiterarbeiten. An einer schönen, ruhigen Stelle und die Mittagszeit rum setzte ich mich auf eine kleines Steinmäuerchen, packte mein Brot, meinen Käse und die Salami aus und ließ es mir schmecken. Käse und Salami waren schon was Tolles, auch wenn die Salami etwas arg hart war und der Käse aus meiner Sicht nicht der war, den ich eigentlich ausgesucht hatte. Aber scheinbar war der Italiener, der mir das in Cannobio verkauft hat, nicht so ganz in der Lage, seinen eigenen Käse auseinanderzuhalten - na gut, jetzt ist es eh zu spät, aber ich hatte was Richtiges im Magen.
Weiter ging es durch den Wald. Und eine Stelle war sogar mit einem Seil versichert, es kam das erste mal wieder ein bisschen Bergfeeling auf. Das war aber nur ein kurzes Stück und man hätte sich die Kette auch sparen können, aber gut, nicht alle sind vielleicht so fit und sicher unterwegs.
Der Weg war nicht so wahnsinnig abwechslungsreich. Er ging immer am Hang entlang, durch den Wald, ein bisschen bergauf und bergab und so machte ich meine Kilometer. Am Schluss ging es noch einmal bergab in ein Seitental, wo sich ein Bach tief in die Felsen eingeschliffen und tolle Bachläufe entwickelt hatte. Darüber führte eine alte Steinbrücke, echt toll, wie diese Brücken so lange halten. Anschliessend folgte der letzte Anstieg bis in das Dorf Orasso, wo ich mich in einem (dem einzigen) Hotel eingebucht hatten. Dort angekommen, bezog ich mein Zimmer und suchte vergeblich nach der Ausstattung, die den Preis für das Zimmer rechtfertigen würden. Gut, vielleicht war das Frühstück besonders toll - mal sehen. Das wusste ich natürlich noch nicht, aber ansonsten war ich doch über den Preis bzw. das, was mir das Zimmer bot, etwas erstaunt. Es war ordentlich, sauber, und auch sonst in Ordnung. So ist es halt, mal kriegt man fürs gleiche Geld etwas Besonderes, mal ist man enttäuscht. Dafür hatte ich die letzten zwei Tage am Campingplatz deutlich gespart: 20 € für die Übernachtung pauschal, da ist man natürlich doch günstiger unterwegs als in einem Hotel.
Den Nachmittag bis zum Abendessen überbrückte ich noch mit einem Cappuccino-Eis, um auch meinen Hunger ein bisschen im Zaum zu halten: Abendessen erst um 7:30 Uhr, ist in Italien so. Das Abendessen war dafür super lecker, wenn auch sparsam. Da gibt es ja auch deutliche Unterschiede. Diesmal schmeckte es aber wirklich gut und mit einem passenden Wein dazu ließ ich den Abend ausklingen.
Ich bin wieder 'on the road'. Ich werde auch die nächsten Tage laufen und ich habe mein Ziel nicht aus den Augen verloren. Auch wenn es vielleicht hart an der Grenze war, aber aufgeben darf es eigentlich nicht geben. Daher werden auch weitere Etappen folgen. Morgen zu einem Rifugio, dann mach Domodossola und dann steige ich in den GTA ein! Ich freue mich drauf!
Bis dann, gute Nacht!
Euer (wiedererstarkter) Knut
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