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Da hätte (angeblich) ein See sein sollen

Zum Glück hatte ich den Heizstrahler zur Seite gestellt bekommen - meine Klamotten und vor allem meine Schuhe wären nie und nimmer trocken geworden. Es war im gesamten Haus so kalt. 🥶

Das Ende der Saison naht, draußen ist es ungewöhnlich kalt, und für mich und nur zwei andere Gäste wird bestimmt nicht das gesamte Haus geheizt - auch verständlich.

Ich war froh, nachts in meinem Schlafsack gelegen zu haben. Nur mit Wolldecke.... ich weiß nicht. Wäre aber sicherlich auch gegangen - im Schrank lagen noch ein halbes Dutzend davon.


Nach der Überquerung des Baches unterhalb der Hütte - sie stand auf einer leichten Anhöhe - war der erste Aufstieg gleich mal ordentlich. Ein schmaler Wanderweg, mit Steinen durchsetzt, ging es stetig hinauf, zwischen großen Geröllfeldern hindurch. Es regnete zwar nicht, aber durch die tief hängenden Wolken war es schon wieder feucht und kühl. Ich hatte mein Langarmshirt und meine Regenjacke an, sonst wäre es zu kalt geworden. Nur möchte ich nicht komplett durchgeschwitzt oben ankommen, daher habe ich extra langsam gemacht. Bringt aber nicht viel - trotzdem tropft mir der Schweiß von der Nase.



Unterhalb von ein paar Felswänden erklomm ich die ersten gut 300 Höhenmeter, bevor ein Stück entspanntes Wandern kam. Aus dem Nichts - es war ein ständiger Wechsel zwischen Sicht und Null Sicht - tauchte plötzlich eine Wanderin auf. Wow! Ich bin nicht alleine hier oben.... Sie war aber auch vom Refugio aus gestartet (nur etwas früher als ich) und bereits wieder am Rückweg, sie hat sich nur den See angeschaut, der gleich kommen sollte. Guten Abstieg - guten Aufstieg. Und Tschüss!

Zu sehen war vom See erstmal gar nichts. Nur spärlich zeichnete er sich im Nebel ab. Aber: Es lichtete sich etwas und so konnte ich doch noch erkennen, wie der See aussieht, um den ich gerade halb herum laufe. Schöne Stimmung - nur wieder einmal zu kalt, zu feucht, nicht einladend für eine Pause. Sehr schade.



Nach dem See folgte der zweite Teil des heutigen, nicht so dramatischen Anstiegs. Große Steinplatten pflasterten den Weg, was es gut zu gehen macht. Und dann kam er wieder, der Schnee. Zuerst ein paar Fetzen, dann ein bisschen mehr, schließlich eine geschlossene Schneedecke. Ich war aber heute geistig und mental darauf eingestellt, das macht es ungemein entspannter. Ich wusste ja, dass ich erneut durch Schnee musste. Aber auch, dass die Scharte mit 2.520 mNN nicht ganz so hoch liegt wie gestern der zweite Pass, und es etwas weniger Schnee sein sollte.

Stetig, der Spur eines Tieres folgend, kämpfte ich mich nach oben. Es war wirklich lustig. Die Tierspuren lagen immer auf dem Pfad, selbst die Serpentinen wurden mitgenommen. Als ob die Tiere wüssten, dass es hier einen Weg gibt. Einen Weg, der für mich auch so gut zu erkennen war - zum Glück. Und so war auch heute der Aufstieg nicht unbedingt der schönste (bin nicht so der Fan von Schnee beim Wandern), aber auch nicht kritisch.



An der Scharte "Colletto di Valscura" (2.520 mNN) dann der Blick voraus - ins Nichts. Schnee oder Himmel - sah alles gleich aus. Grau in grau! Oder weiß in weiß, je nach Sichtweise. Sah man jedoch auf den Boden, konnte man den weiteren Verlauf gut erahnen, hier waren die Wege erstaunlich gut ausgebaut mit Steinmauern bergseits - was gerade jetzt perfekt war. Und so verbrachte ich keine Zeit in der Kälte und ohne Sicht, sondern machte mich an den Abstieg. Zu Beginn noch steil mit viel Schnee durch Verwehungen, wurde es schnell weniger. Ab ca. 2.300 mNN und darunter konnte man praktisch schneefrei gehen. Nur die Schuhe trieften halt wieder durch die Nässe - das wird sich aber auch die nächsten Tage nicht ändern, sollte sich das Wetter und die Situation in den Scharten nicht ändern.


In meiner Karte hatte ich entdeckt, dass ich mitten im Abstieg an einem großen See vorbei kommen sollte, dem "Lago inferiore di Valscura'. Von oben würde ich bereits einen schönen Ausblick auf ihn haben, und er war groß, fast doppelt so groß wie der erste See. Ja, wie sagt man so schön: ‘Hätte hätte, Fahrradkette!" Nichts war's. Sicht von oben - Null! Sicht von direkt daneben - Null! Wenn ich nicht mittels GPS ziemlich genau wüsste, wo ich mich befinde - ich wäre glatt ins Wasser gelaufen. Direkt am Ufer stehend, sah ich am Grund des Sees die ersten Steine liegen, und danach war Sense. Aber ja, hier hätte angeblich ein See liegen sollen. So zumindest laut Karte.


Vom (angeblichen) Ufer des Lagos führte eine alte, aufwendig mit Steinen und Mauern gestaltete, breite Steinstraße hinunter ins Tal. In großen Serpentinen, wenig steil, absolut traumhaft zu gehen. Ich packte sogar meine Stecken weg, damit ich mal ein Stück ohne sie laufe und mehr Gefühl fürs Ausbalancieren bekomme. Und je weiter ich nach unten kam, desto besser wurde die Sicht. An Wasserfällen vorbei, immer mehr zwischen Bäumen laufend, sah ich bei aufreißenden Wolken auch etwas von der Umgebung. Und ich meine, ich hätte auch kurz sowas wie einen Schatten meiner selbst gesehen - dafür würde ich aber nicht die Hand ins Feuer legen. Höchstens ans Feuer zum Wärmen. Ein weites Tal wurde ersichtlich, in dessen Mitte das Refugio Valasco zu erkennen war. Dort hatte ich ursprünglich vorgesehen zu übernachten, auf Anraten des Wirtes der letzten Hütte (und Dank seiner Unterstützung und Reservierung) war nun aber das Dörfchen "Terme di Valdieri" weiter unten mein Ziel.



Ich merkte, dass ich immer mehr schlenderte und die leichte Wärme, die ich durch die steigenden Temperaturen spürte, genoss. Aber bitte nicht falsch verstehen: Es wurde nicht sommerlich, nur weniger kalt. 😂

Der steinige 'Fahrweg' aus den Bergen ging im Tal dann in eine normale Schotterstraße über. Am bereits gesichteten, für meinen Geschmack echt hässlichen bzw. kitschigen Refugio vorbei, sollte es noch ein kurzer Marsch am Fluss entlang werden. Man konnte die Fahrstraße über einen Wanderweg abkürzen, somit war es kein Gehatsche auf monotoner Schotterpiste, und hier kamen mir auch einige Menschen entgegen. Klar, es war Samstag, da sind hier schon ein paar Leute unterwegs. Trotz des widrigen Wetters, hier im Tal war es ja bei weitem nicht so schlimm. Und für einen Kaffee im Refugio Valasco reichte es allemal.



Gegen frühen Nachmittag schließlich konnte ich einchecken. Im einfachen, aber warmen (!) Hotel in Terme di Valdieri war ich wohl der einzige Übernachtungsgast, und die Unterkunft hatte ziemlich viele Zimmer. Den Weg von der Bar ins Zimmer hätte ich fast noch in kommot mitgetrackt und als zusätzliche Kilometer angeben können.

Ach, war das schön, nach dem Ausziehen der kalten und nassen Kleidung eine heiße Dusche zu haben. Und das ganze nasse Zeug kam auf die nicht minder heiße Heizung. Ob es auch für die Schuhe reicht, mag ich zu bezweifeln, aber zumindest ein bisschen werden sie trocknen.

Zum leckeren Abendessen waren dann noch zwei andere Gäste da. So saß ich zumindest nicht ganz alleine im Raum - auch wenn wir nichts miteinander redeten. Es waren Italiener, Wanderer des GTA habe ich schon länger keine mehr getroffen. Warum wohl???



Morgen ein ähnliches Spiel wie heute, nur umgekehrt, was die Höhenmeter angeht - mehr rauf als runter. Aber wieder über 2.500 mNN und sicherlich durch Schnee. Nun habe ich aber ja Erfahrung.


Bis Morgen dann!

Habt einen schönen und kurzweiligen Samstagabend!


Es grüßt euch euer Wanderer

68 Ansichten2 Kommentare

2 Comments

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Miriam P
Miriam P
Sep 24, 2024

Auch wenns in der (kalten 😉) Situation vor Ort nicht hilft - ich finde ja, die neblige Stimmung hat etwas Mystisches und Besonderes. Und dann auch noch ganz allein in der Stille - das muss großartig sein! Ich wünsche trotzdem ein paar mehr Grad Wärme. 😃 Gute Zeit weiterhin!

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Knut
Knut
Sep 26, 2024
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Hallo Miriam!


Da gebe ich dir völlig Recht - es war mystisch und besonders. An sich sind diese Nebeltage auch nicht schlimm, und haben etwas tolles an sich, nur wäre es schön, wenn man die Situation genießen könnte - was bei der Nässe und den Temperaturen einfach nicht möglich ist.

Vielen Dank für die Wünsche - ich hoffe auch darauf. Viel allem zum Ende hin....


Grüße, Knut

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