Die Nacht war gut gewesen, wenn auch zu kurz. Gestern Abend war ich nicht gleich eingeschlafen, und heute Morgen war ich weit vor dem Wecker wach. Aber gut, die heutige Etappe hatte ich ja gestern mit dem zusätzlichen Hatsch eingekürzt, die drei Kilometer musste ich heute nicht gehen - genauso wie die 150 Hm.
Das Frühstück um 8e war wieder im Kreise der drei Italiener vom Kamerateam. Es wurde heftig diskutiert, nicht nur verbal, sondern auch mit den Händen. So ganz dem Klischee entsprechend. Und die Italienierin wirkte dabei oft genug genervt und ich hatte das Gefühl, dass es nicht ganz so lief, wie sie sich es vorstellte. Aber das sind natürlich alles nur Mutmaßungen....
Es gab keine besondere Auswahl beim Essen, aber das Ambiente und die Art und Weise, wie es serviert wurde, trug dazu bei, dass ich mich nicht unwohl fühlte. Und nachdem die drei sehr schnell fertig waren, konnte ich mich auf den 'Rest' stürzen - typisch deutsch halt.... 😂 Nein, ich versuchte nur, eine gute Grundlage zu schaffen. Was mir mit Müsli auch gut gelang.
Am Abend hatte mir schon die Wirtin gesagt, dass es heute schlechtes Wetter geben soll - um die Mittagszeit herum. Heftiger Sturm mit Gewitter. Zu dieser Uhrzeit sollte ich nicht unbedingt an der Scharte "Passo del Maccagno" sein, die mit knapp 2.500 mNN nicht gerade niedrig war. Da es aber vorher ein paar Alpen gab, bei denen ich sicherlich Schutz finden würde, war ich etwas beruhigter. Wobei die Alpen nicht bewirtschaftet sind, nur das das nicht falsch verstanden wird. Es sind oftmals nur unbewohnte Steinhäuser - mit Glück sogar mit Dach (welches vielleicht nicht leckt).
Also los. Spät genug. Das Tal war relativ eng, bewaldet und durch die Feuchtigkeit der Nacht oftmals auch glitschig. Man erkannte auch an den Hinterlassenschaften auf dem Weg, dass hier Viehwirtschaft betrieben wurde. So musste ich meist aufpassen, dass ich mit meinen profillosen Schuhen nicht weg rutschte. Vorbei an einer Herde Hochlandrindern (die mehr Angst vor mir als ich vor Ihnen hatten) ging es immer weiter ins Tal hinein. Mal musste ich mehr Höhenmeter meistern, dann ging es wieder entspannt zwischen Felsen, Bächen und alten Häusern voran.
Der Himmel zog auf allen Seiten zu, graue Wolken quollen über die Bergkämme herüber. Und direkt vor mir waren sie am dichtesten und dunkelsten. Mist. Und ständig hörte man das Grollen des Donners, also so wie vorher gesagt. Sehr schade, war das Gebiet doch so wahnsinnig ruhig, kleine Seen säumten den Weg zur Scharte und die Landschaft an sich war geprägt von steilen Wänden, abbrechenden Felsen und Geröllfeldern. Nur bei Gewitter möchte ich nicht an der Scharte oben sein.
Am Laghi del Maccagno mit einer Alpe machte ich eine kurze Pause und überlegte, was ich nun machen sollte. Der Aufstieg zur Scharte stand an, die grauen Wolken waren nicht weniger geworden und es grummelte immer wieder. Aber es wirkte, dass es weniger wurde und weiter weg war. Ich saß auf einem Stein, und plötzlich wurde es windig. Und kühl. Ich musste nach Wochen des Schlummerns im Rucksack mein Langarmshirt, ein Unterhemd und meine Regenjacke raus holen - und trotzdem war mir kalt. Da sich die Wolken aber etwas gelichtet hatten, entschloss ich mich dazu, weiter zu gehen.
Und je weiter ich nach oben kam, desto weniger Wolken wurden es. Es kam sogar ab und zu die Sonne schemenhaft am Himmel zutage. Ich konnte die Regenjacke wieder ausziehen. Sehr gut. Und die verbleibenden Wolken bildeten schöne Formationen mit den umliegenden Berge.
So arbeitete ich mich schließlich bis zu Scharte hoch. Ein toller Weg, mit vielen Felsen gepflastert, ab und an waren auch die Hände erforderlich. Und oben an der Scharte wie immer der Blick auf ein neues Gebiet. Was für ein Ausblick. Hier waren plötzlich kaum mehr Wolken zu sehen. Die Blicke schweiften in alle Richtungen. Und die Sonne zeigte sich immer mehr. Nur in der Richtung des Ziels, dem Refugio Rivetti, war der Himmel düster und man hörte weiterhin Grummeln von Gewitter. Pause oder nicht, dass ist jetzt die Frage. Ich traf zwei Belgier, die ich vorher schon am See gesehen hatte und mit denen ich bereits diskutiert hatte, was besser ist, zu warten oder zu gehen. Sie machten Pause, aber irgendwie war ich nicht so entspannt. Also weiter, Essen ist nicht so wichtig. Erst an der nächsten Scharte, an der ich den kommenden Weg besser einsehen und die Distanz besser einschätzen konnte, wurde ich ruhiger. Das müsste auch mit einer kurzen Essenspause reichen, ohne nass zu werden.
Danach ging es weiter, ein wunderbarer Höhenweg, leichtes Auf und Ab, Steine und Gras im Wechsel, aber nicht anstrengend oder schwierig zu gehen. Ein Traum, wirklich. So wünscht man es sich. Und entsprechend genoss ich diesen Abschnitt. Und je weiter ich mich dem Refugio näherte, desto klarer wurde, dass es heute keine Gewitter mehr geben würde. Juhu!!!
Und so machte ich noch einen kleinen Abstecher an einen abgelegenen See. Ein paar Minuten Umweg die sich lohnten.
Kurz vor der letzten Scharte - danach stand nur noch ein 20-minütiger Abstieg zum Refugio bevor - entdeckte ich zwischen den Steinen Graupelkörner. What? Es musste also heute Vormittag so heftig geregnet bzw. gehagelt haben, dass selbst mehrere Stunden danach die Körner (trotz Sonne) nicht geschmolzen waren. Heftig!
An der letzten Scharte konnte ich das Refugio schon sehen, das Wetter hatte sich beruhigt - und somit beruhigte ich mich auch! Ich setzte meinen Rucksack ab, holte Trinken und Riegel raus und ließ mich an der Scharte nieder. Über eine Stunde verbrachte ich noch dort oben, bevor ich mich an den Abstieg machte. Die Belgier waren zwischenzeitlich auch schon durch, es war ruhig dort oben. Und eine tolle Aussicht hatte ich auch.
An der Hütte fragte ich nach einer Übernachtung - gar kein Problem. Es waren nur die beiden Belgier und ich zu Gast. Bei einer Familie, die französisch redete, er aber automatisch mit uns Englisch kommunizierte und sie auch Deutsch kann. Sehr lustig. Und eine tolle Familie (einschließlich Kindern), die sehr zuvorkommend und nett sind.
Zum Abendessen saß ich mit den Belgiern zusammen, da sie aber morgen eine Hammeretappe vor sich haben (nicht den GTA), gingen sie früh ins Bett. So wie ich jetzt auch.
Schlaft gut, bis Morgen
Knuti
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