Es ist gestern Abend schon etwas im Raum geschwebt, dass das Wetter nicht so gut werden soll. Aber da es hier im Refugio Merveilles Null-komma-Null Empfang gab, konnte ich es nicht prüfen und mich nur auf die 'Gerüchte' verlassen, die hier und da gesprochen wurden.
Ich hatte mich mit Xavier verständigt, dass wir heute - wo es nur eine etwas kürzere Etappe sein wird - zusammen laufen wollen.
Die Hütte hier war sehr gut organisiert und das Frühstück war echt gut. Und man hatte schon gestern beim Abendessen gemerkt, dass die Wirtsleute (sie waren zu viert) einfach auf Zack sind und wussten, worauf es ankommt. Zwischen 7 und 8 Uhr gab es Frühstück, aber in dieser Zeit waren sie auf alles vorbereitet und wenn etwas leer war, wurde sofort nachgefüllt. Toll, Hut ab!
Bis ich dann mit Xavier los kam, war es schon wieder etwas später. Es regnete zwar, aber alle machten sich auf den Weg, komplett eingehüllt in Regenklamotten. Es sah (aus dem Trockenen heraus) gar nicht so schlimm aus. Und sicherlich wird es irgendwann besser werden. Also gestartet und bäääh, es war doch etwas mehr als gedacht.
Und dazu blies ein stärkerer Wind, glücklicherweise nicht direkt von vorne. Schon auf den ersten Metern wurde klar - das wird heute nichts Schönes. Das Wasser suchte sich vornehmlich den Weg als Bachbett, man wusste nicht, ob man noch richtig läuft oder ob man dem Wasser folgend falsch abgebogen ist. Dass die Schuhe nicht lange trocken bleiben, muss denke ich nicht extra erwähnt werden.
Die erste halbe Stunde ging zwischen vielen, glatt geschliffenene Felsen hindurch. Überall waren kleine Seen und Tümpel, es wäre sicherlich eine tolle Gegend hier - bei Sonnenschein! Ein bisschen etwas konnte man auch von den Bergen sehen, aber viel war es nicht, die Wolken hingen schon so tief.
Es waren nur 300 Hm bis zur ersten Scharte zu bewältigen, aber bis ich dort ankam, war ich mehr oder weniger schon durch nass. Der Wind wehte mir das Wasser fast waagerecht um die Ohren. Sobald ich das Handy raus nahm, um ein Foto zu machen oder nach dem Weg zu schauen, konnte ich das Handy nicht mehr bedienen, weil die Tropfen auf dem Display für völlige Unbedienbarkeit sorgten (falls es das Wort überhaupt gibt).
Xavier war schon vor gerannt, er hatte nur sehr leichtes Gepäck, Turnschuhe und wollte schnellstmöglich weiter - wem sei es zu verdenken, ich wäre auch gerne schneller gewesen. Noch schneller als sonst!
Die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, den Blick nur auf den Weg gerichtet (man sah eh nichts anderes), schaffte ich es bis 10 Uhr an die erste Scharte. Und bis dahin fühlte ich schon das Wasser zwischen den Zehen quatschen. 😫
Zu Beginn meiner Reise hatte es zumindest bis Mittags gedauert, bis ich durch war....
Und der Wind wurde noch viel heftiger. Das Video ist keine Zeitraffer-Aufnahme, es war tatsächlich so heftig und ekelig.
Der restliche Weg ist schnell erzählt. Ich sah nichts, es regnete heftig, der Wind blies mir von der Seite das Wasser ins Gesicht. Kopf runter, Blick kurz vor meine Füße ausgerichtet, auf dem einfachen und sehr wenig abfallenden Weg schnellen Schrittes voran! Es waren wohl Grashänge, auf bzw. in denen ich unterwegs war - keine Ahnung. Und ganz ehrlich: Ich war so frustriert, dass es mir egal war. Nur weiter und irgendwann ankommen. Das Ziel Camp D'Argent ließ aber gefühlt ewig auf sich warten. Klar, die äußeren Umstände forderten ihren Tribut.
Und das Schlimme an der Sache war: in weiten Teilen des heutigen Tages lief ich sehr weit oben auf den Grashügeln, also dort, wo der Wind besonders kräftig wüten konnte. Und so war es zusätzlich ekelhaft.
Aber wie es immer so ist, schlussendlich kommt man doch irgendwie an. Ich wusste nur nicht, wo genau die Unterkunft ist. Wie ich bei der Ankunft merkte, war Camp D'Argent nicht der Name der Unterkunft, sondern der Name der paar Häuser, die hier zu finden waren. Also ging ich zuerst in das Restaurant Yeti und fragte nach einer Schlafmöglichkeit. Ja, hätten sie, ein Appartement, aber das Restaurant hat heute Abend zu, sie könnten aber etwas vorbereiten. Ich erkundigte mich, ob es noch andere Übernachtungsmöglichkeiten hier im 'Ort' gäbe!? Ja, gegenüber.... Ich komme bei Bedarf zurück!
Dort fragte ich natürlich auch nach, die Unterkunft war aber voll. Und Xavier wollte hier ja auch übernachten (wenn möglich), er war aber nirgends zu sehen. 🤔
Ich wusste von ihm, dass es zwei Kilometer weiter eine Passstraße gab, an der drei Hotels lagen. Da werde ich schon was kriegen, kann dann eine schöne Dusche genießen und meine Sachen vernünftig trocken. Nass bist du eh schon, die knappe halbe Stunde kannst du jetzt auch noch laufen. Also wanderte ich weiter, rief Xavier aber lieber mal an - schließlich hatte er Vorsprung. Und es war die beste Idee, ihn zu kontaktieren! Er war nämlich bereits an der Passstraße gewesen - alles ausgebucht! 😱 Drei Hotels, nichts frei???
Er war schon auf dem Rückweg, sagte mir aber, er hat im Restaurant Yeti angerufen und wird das Apartment nehmen! Und wenn ich nichts dagegen habe, könnten wir es uns doch teilen. Wow! Was für ein toller Vorschlag. Wir verstanden uns echt gut, es kann also nicht so ganz schlecht werden.
Wir trafen uns am Ortseingang wieder, gingen zusammen zum Yeti und checkten ein! Xavier konnte fließend Französisch, das machte es natürlich für mich einfacher. Und er war so nett und übersetzte mir immer alles ins Englische! Und so erfuhr ich, dass die Küche uns ein Abendessen vorbereiten würde, was wir uns dann aufwärmen könnten - Herd und Microwelle sind ja vorhanden. Dazu nahmen wir noch ein Bier, und so war der Abend gerettet. Am frühen Nachmittag konnte ich mich von den beiden 'pique-nique' satt essen, die ich zwar die letzten beiden Tage geordert hatte, die Wetterverhältnisse es aber nicht zugelassen haben, dass ich mich hinsetze und in Ruhe esse....
Die warme (okay, eher heiße) Dusche tat so unglaublich gut. Neben den drei normalen Heizkörpern hatten wir noch einen elektrischen Heizer. Alles wurde so nach und nach getrocknet - was auch tatsächlich gelang. Nur die Schuhe nicht - no Chance! Wird schon, wenn ich wieder laufe - und für morgen war besseres Wetter vorausgesagt. Angeblich sollen es in Sospel (dem morgigen Ziel) sonnige 24 Grad geben! What???? So warm? Das wäre heftig und ein absolut krasser Wechsel!
Den Nachmittag und frühen Abend über sprachen wir über dies und das (nicht die Arbeit!!! 🥳), scherzten, tranken Tee, ich plante an den nächsten Tagesetappen und suchte Unterkünfte. Und stieß dabei auf einen echt schönen Campingplatz etwas außerhalb von Sospel. Und weil es in Sospel nur miese, mit Bettwanzen verseuchte, überteuerte Hotels gab, das Wetter aber ja so gut werden sollte, entschloss ich mich, nochmal das Zelt zum Einsatz kommen zu lassen.
Buchen muss ich nicht, die machen Ende September zu, da werden sie nicht noch ausgebucht sein.
Hoffen wir auf Morgen und auf die positive Wetterprognose! Weil nochmal so ein Tag wie heute und ich gebe auf und fahre heim! Heute war - gefühlt - der schlechteste Tag meiner viermonatigen Reise!
Bis morgen dann!
Euer (inzwischen wieder getrocknete)
Knut
Wir wollen schon noch die Ankunft am Mittelmeer sehen! So war das Tauschgeschäft: Urlaub für Dich, Bilder für uns. 🏝️ ↔️ 📸
Aufgeben ist also nicht erlaubt.
Hi Knut,
schon das Mittelmeer gesehen und da redest Du von abbrechen !?!
Jetzt erst recht einen Sprung ins Meer anstreben sonst war der ganze "Spaziergang" fast umsonst! Die paar Meterchen schaffst Du nach einer heißen Dusche, guten Brotzeit und guter Nacht locker ! Jetzt kommen bestimmt noch sonnige Tage !
Grüße Brigitte und Uwe
Hey Knut so kurz vorm Ziel aufgeben - geht gar nicht! Jetzt heißt es nochmals beißen , das Meer muss doch Anreiz genug sein. Du schaffst das da bin ich mir sicher!