Ich hatte meinen Wecker etwas früher gestellt, damit ich die schöne, heiße Dusche nochmal ausnutzen kann und um mich morgens wach zu machen. Die Nacht über hatte ich leider wieder nicht so toll geschlafen, die Bettdecke bestand aus total schweren Wolldecken, nichts mit flauschig und kuschelig.
Beim Frühstück war ich dann der einzige Gast. Irgendwie ein komisches Gefühl, wenn man alleine da sitzt und alles um einen herum ist still. Aber klar, die Sommersaison ist zu Ende, viele Gäste kommen halt nicht mehr.
Schnell gezahlt, kurzer Plausch mit dem Wirt, ging es hinaus in die Ortschaft, in der auch ein Thermalbad beheimatet ist - daher auch der Name "Terme di Valdieri". Natürlich war diese schon geschlossen, ich bin hier ja auch nicht zum relaxen, sondern um weiter zu kommen. 😄
An den Gebäuden ging es vorbei, am Parkplatz begann bereits der erste Anstieg. Ich hatte gesehen, dass auf dem Weg nach oben das Refugio Morelli Buzzi liegt und hatte mir überlegt, ob ich nicht einfach mal einkehren kann - um etwas zu trinken, zum Beispiel. Am Parkplatz stand an der Werbetafel nichts, dass es schon geschlossen ist. Sehr gut.
Dieses Refugio ist scheinbar sehr gerne besucht, denn der Weg rauf war sehr breit und nicht wahnsinnig steil. Er schlängelte sich in weiten Serpentinen durch den Wald, ich konnte es also etwas schneller angehen lassen. Und es war auch wieder nur einmal rauf und einmal runter geplant, sodass ich nicht groß auf Reserven achten musste. Drei Stunden waren unten angeschrieben. Das ist aber doch ganz schön weit. Der Blick auf die Karte verriet mir aber, dass das Refugio tatsächlich kurz vor der Scharte kommen sollte - zur Scharte ist es also nicht viel weiter.
Nach einiger Zeit wurde der Wald weniger, die Bäume wechselten von Buchen auf Lärchen, und es kamen immer mehr Schotterfelder in Sichtweite. Nur leider kam ich immer weiter in die Wolken.... Die Sicht war also mal wieder gleich Null.
Zum Ende hin war es ein Blockfelsen-Weg, der sich den Berg hinauf zog. Ist für den Stockeinsatz immer nicht so toll, aber ließ sich nicht vermeiden.
Und nach knapp drei Stunden erreichte ich dann auch das Refugio - und es war geschlossen. Na super! Wieder einmal keine Chance auf Einkehr. Spart zwar Geld, aber ist auch nicht das Gleiche! Hätte gerne mal was Warmes getrunken.
Also gar nicht lange bei dem kühlen Wetter dort aufhalten, gleich weiter. Ich zog noch meine Regenjacke über, da es echt kühl war nur so mit T-Shirt und Langarmshirt. Und dann ging es weiter.
Der letzte Aufstieg bis zur Scharte war weiterhin gut zu gehen, ich war sehr überrascht, dass es so wenig Schnee gab. Ich hatte mit sehr viel mehr gerechnet, immerhin war die Scharte auf über 2.500 mNN. Aber auf dem Weg lag fast nichts, und der Schnee war auch sehr weich und somit gut zu durchschreiten.
An der Scharte angekommen, das gleiche Spiel wie immer: nasskalt, Schnee, windig, und der Blick voraus zeigte wieder einmal nichts. Was also hier oben Zeit verbringen??? Und so machte ich mich ohne größeren Verzögerungen auf den Weg hinunter ins Tal.
Ich hatte mich nun schon gefreut, dass so wenig Schnee lag, da wurde ich wieder einmal eines besseren belehrt: Nach der Scharte lag sehr viel auf dem Weg, viel mehr, als beim Aufstieg - trotz Südhanglage. Und so musste ich mich durch teilweise 20 bis 30 Zentimeter Schnee arbeiten. Und heute war der Weg nicht so breit und das Gelände nicht so komfortabel flach. Ich musste diesmal echt aufpassen und schauen, dass ich nicht ins Rutschen komme. Meine Gedanken waren: naja, ab 2.300 mNN abwärts wird es sicherlich besser, doch zu oft hatte ich mich getäuscht - und auch diesmal sollte es so sein. Ich kam mäßig zügig voran, klar, wenn man vorsichtig gehen muss. Aber auch bei der sonstigen Schneegrenze war noch nicht Schluss. Der Schnee wurde kaum weniger. Zum Glück hatte ich schon einen guten Blick voraus und konnte erkennen, dass es besser werden würde, aber erst noch ein gutes Stück weiter unten.
Als es besser wurde, konnte ich auch mehr Blicke in die Umgebung schweifen lassen. Endlich auch mal die massiven Felswände betrachten, die mich umgaben. Und ich sah den Stausee, der unten im Tal bereits auf mich wartete. Ich wusste, ich muss um den Stausee gut zur Hälfte herum gehen, um an das Refugio Genova-Figari zu gelangen. Zuerst hieß es, überhaupt hinunter zu kommen. Als ich mal wieder stehen blieb, um ein paar Fotos zu machen, entdeckte ich nur ein paar Meter von mir entfernt auf einem Felsen den Papa Steinbock. Er saß da, schaute mich an als wollte er sagen "Was willst du hier?" und mümmelte vor sich hin. Ich konnte ein paar Fotos von ihm machen - ein gutes Model. Und kurz darauf traf ich dann auch seine Frau und seine Kinder. Auch sie waren tiefenentspannt und hatten keinen Grund zur Eile, und so konnte ich auch sie gut ablichten.
Irgendwie kam es mir vor, als ob ich bei Familie Steinbock-Gams mitten durch die Wohnung gelaufen wäre. Naja, in gewisser Weise war ich auch nur zu Besuch hier - somit das Gefühl nicht so ganz falsch. Aber dass die Tiere so entspannt waren und selbst, als ich nur ein paar Meter von ihnen entfernt stand, nicht flohen, das fand ich schon sehr beeindruckend.
Nachdem der letzte Schnee vom Weg war, konnte ich es wieder etwas schneller laufen lassen. Der See wurde immer größer, und man erkannte, dass er trotz einiger Zuflüsse am Ufer nicht sehr voll war. Die Staumauer ragte ewig weit über die Wasseroberfläche hinaus in die Höhe, und rund um den See war ein Schotterplateau zu sehen, welches scheinbar von Maschinen genutzt wurde, eventuell um zu viel Schotter bzw. Kies aus dem See zu holen oder um Reperaturen am Ufer vornehmen zu können. Der offizielle Weg sollte mich links über die Staumauer führen, aber könnte ich nicht auch rechts am Ufer entlang abkürzen? Einen offiziellen Weg gab es dort nicht, klar, war ja normalerweise unter Wasser!? 🤔
War mir dann doch zu unsicher. Was, wenn ich plötzlich vor einem ordentlichen Zufluss stehe und ihn nicht queren kann? Dann müsste ich alles zurück! Nein, dann doch lieber dem offiziellen Weg folgen und nicht so wagemutig sein.
Über die Staumauer zu gehen war echt ein komisches Gefühl. Auf der einen Seite ging es weit bis zum Wasser hinunter, auf der anderen Seite der Blick tief ins Tal, man sah nur eine Straße und einen weiteren See tief unten ganz klein. Zum Glück musste man sich hier keine Sorgen machen, dass etwas schief geht. Auch wenn nicht alle Bereiche der Talsperre in perfekten Zustand zu sein schienen. Es gab noch ein Betriebsgebäude und den Notüberlauf, und an denen kam ich unmittelbar vorbei. Ich konnte sehen, dass nicht alles perfekt war. Aber ich lebe hier nicht, somit muss ich mir darüber keine Gedanken machen.
Nach einigen Metern hinab war nochmal Schmackes gefragt, es ging einige Meter steil hinauf. Aber danach war es geschafft, ich auf Höhe des Sees und das Refugio leicht erhöht auf den gegenüberliegenden Felsen zu sehen. Meine Etappe führte mich noch am morgigen Aufstieg vorbei, ich konnte also schon mal voraus schauen. Sah aber nicht dramatisch aus. Nur der Schnee oben war nicht so gut zu erkennen - liegt aber bestimmt noch viel.
Ich hatte bereits eine Reservierung für das Refugio, so konnte ich entspannt ankommen und einchecken. Aber auch ohne Reservierung hätte es geklappt - ich war der einzige Gast. Ich ging in mein Zweibettzimmer, legte mich trocken und gönnte mir einen Kuchen mit Kaffee. Es waren drei junge Wirtsleute, die scheinbar hier den Laden schmissen - sehr nett aber!
Danach machte ich mich aber noch auf den Weg nach draußen, den oberen See und die Umgebung um das Refugio herum zu erkunden. Ich wanderte am Ufer entlang, von Stein zu Stein, schaute hier und da, ohne etwas bestimmtes zu suchen. An ein paar Wasserzuläufe vorbei erreichte ich das andere Ende des Sees, machte ein paar Fotos und ging bald zurück.
Das Abendessen nahm ich wieder alleine ein. Keine so schöne Situation. Aber es schmeckte gut, damit ist es auch verziehen, alleine zu essen. Und die Wirtsleute können ja gar nichts dafür.
Für Morgen ist nicht so tolles Wetter vorher gesagt, mal sehen, wie es sich morgen gibt. Aber über die Scharten bei Regen, wird nicht besonders schön werden. Aber das kann ich morgen betrachten und sehen, was ich mache.
Schönen Abend euch allen!
Knut
https://youtu.be/mFsbRyfMXG4?si=1OTaMKIBDDjl-Q2J
Zu unsicher? Wo ist Deine Abenteuerlust? Immerhin warst Du auch wagemutig genug, bei Deinem Chef nach vier Monaten Urlaub zu fragen... 😉