top of page
Suche
AutorenbildKnut

Mit Glück im Bauch mein Herz verloren

Nach dem gestrigen, sehr schlechten Wetter sollte es heute schön werden, und der Blick aus dem Fenster meines Badezimmers zeigte genau das: strahlender Sonnenschein, kaum eine Wolke am Himmel und toll beleuchtete Berge.



Die Etappe war mit 12 km, ca. 1.100 Höhenmeter rauf und knapp 1.300 Höhenmeter runter nicht wahnsinnig lang. Einziger Unterschied: heute ging es über zwei Scharten statt nur über eine! Mit einer kleinen Senke dazwischen.


Bis ich nach dem Frühstück all meine Sachen zusammengepackt und mich selber vorbereitet hatte, war es schon wieder 9 Uhr. Irgendwie schaffe ich es nicht, früher loszukommen. Gut, wenn ich wüsste, dass eine sehr lange Etappe vor mir liegt, würde ich mich entsprechend am Abend vorher vorbereiten. Aber ich komme ja trotzdem immer 'rechtzeitig' an.


Mit einem glücklichen Gefühl im Bauch startete ich in meine heutige Tour. Bereits am Anfang wich ich von der GTA-Route ab und folgte nicht der Straße, sondern bog gleich in einen Wald ab. Dort konnte ich auf einer Forststraße gemächlich die ersten paar Meter laufen. Schließlich traf ich auf den Originalweg, hatte keinen Umweg gemacht, nur war meine Strecke etwas schöner. Es ging danach durch Lärchen, Felsblöcke und Grasflächen stetig bergauf. Es war aber heute kein langweiliger "Im-Wald-Aufstieg", sondern ein recht schöner, mit Aussicht geprägter Weg.



Ich lief fast die ganze Zeit an einem sehr wilden Bach entlang, erst deutlich oberhalb, später näherte ich mich ihm immer mehr an. Auf den letzten Metern, bevor ich direkt ans Wasser kam, war es wirklich ein imposantes Schauspiel, wie das Wasser Stufe für Stufe hinabstürzte. Und die Sonne, die langsam um die Berge herum kam, bestrahlte nur die oberen Teile des Wasserfalls von hinten, der übrige Teil lag noch im Schatten. Dies ließ das Ganze zu einem tollen Schauspiel werden.



Am Bach angekommen, wich ich zum zweiten Mal von der Originalroute ab. Ich hatte beim Aufstieg in der Karte gesehen, dass ich ohne zusätzliche Höhenmeter und ohne großen Umweg zusätzlich zu den zwei am Weg liegenden Seen noch einen dritten See erreichen kann. Und weil ich Bergseen so sehr mag, entschloss ich mich, auch diesen ersten See mitzunehmen und zu schauen, wie es dort aussieht.


Der Aufstieg war nicht anders wie alle anderen Wege auch. Nicht sehr schwierig, nicht so steil, und es gab gute Markierungen und so gelangte ich relativ zügig zum ersten See "Lago Paschiet". Leider war dieser nicht so schön, wie ich es mir erhofft hatte. Etwas trübes Wasser, dunkelgrün, vom Boden kaum etwas zu sehen. Es war ein See, an den wohl auch Weidevieh zum Trinken kommt. Und damit ist vorprogrammiert, das durch den Nährstoffeeintrag aus dem Kot der Tiere das Wasser mit Algen und Ablagerungen 'verschmutzt' ist. Nur die Felshänge außen herum sorgten für etwas spektakuläre Ansicht, aber ansonsten war der See leider nichts Besonderes. Ich machte eine kurze Pause, bevor ich den Weg weiter folgte, um zur Originalroute zurückzukehren.



Anhand der Höhenschichtlinien in der Karte erkannte ich, dass ich von oben an die beiden anderen Seen kommen würde. Noch über einen kleinen Hügel hinweg, sah ich sie dann in strahlendem Türkis unter bzw. vor mir liegen. Dazwischen ein Bereich mit großen Felsblöcken, welcher die beiden Seen (sie hießen beide "Laghi verdi") voneinander trennte. Der nördlichere See, an dem ich nicht direkt vorbeikommen sollte, war zwar türkisfarben, aber milchig eingetrübt. Dennoch strahlte er bei Sonnenschein zwischen den Felsen hervor. Am zweiten See kam ich direkt vorbeikommen, und dieser See hatte kristallklares Wasser, strahlte ebenso in einem herrlichen blau und seine Lage zwischen hohen Felswänden machte ihn zu etwas Besonderem. Ich kam aus dem Schwärmen nicht mehr heraus. Es war ein Traum von einem Platz in den Bergen, an den ich sofort mein Herz verloren hatte. Ich liebe solche Bergseen, und wenn dann noch das Wasser so klar ist, dass man selbst bei einer großen Tiefe bis auf den Grund sehen kann, bin ich hin und weg. Faszinierend ist auch, wenn man auf Fotos nicht mehr erkennen kann, ob die Aufnahme Steine über oder unter Wasser abbildet - weil das Wasser so klar ist.



Ich kam aus dem Fotografieren nicht mehr heraus. Ich lief ein paar Meter, machte ein Foto, lief weiter, musste nochmal fünf Fotos machen. Ich kletterte auf ein paar Felsen - um Fotos machen zu können. Ich ging weiter und machte aus jeder Perspektive noch mal Foto um Foto. Zu Hause wird man sich fragen: Warum, wieso, sieht doch alles gleich aus!? Aber in diesem Moment konnte ich nicht anders. Es war so herrlich. Ich wäre am liebsten stundenlang hier gesessen.



(Video ohne Ton anschauen, der stört nur, um den Wind auf der Oberfläche zu beobachten)


Leider hatte ich im Wanderführer gelesen, dass der Abstieg später von der zweiten Scharte ins Tal hinab wahnsinnig anstrengend und bei Nässe heikel sein soll. Und es war nicht klar, ob es heute nicht doch regnen kann - die Regenwolken aus Westen lösten sich in der Animation immer an den nächsten Gebirgsketten auf - könnte also doch auch bis zu mir kommen. Man sollte nicht so viel Zeit an den Seen vertrödeln soll - stand im Wanderführer. Diese Aussage hing mir im Hinterkopf, und so war ich leider zu unentspannt, um mich eine Stunde oder länger an den See zu hocken. Außerdem war es noch viel zu früh, um eine große Mittagspause zu machen. Also ging ich weiter, gewann weiter an Höhe und konnte es nicht lassen, immer wieder zurückzublicken und neue Fotos zu machen.


Nach ein paar Minuten kam ich an einem Biwak vorbei. Dort kann man als Selbstversorger die Nacht verbringen. Ein bisschen Grundausrüstung ist vorhanden, aber im Prinzip muss Essen, Trinken und Übernachtungsmöglichkeit mitgebracht werden. Aber der Gedanke daran, hier eine Nacht zu verbringen und den Tag bereits am See zu genießen, ließ mich nicht mehr los. Ich denke, ich muss hier nochmal herkommen. Ich habe echt mein Herz an diesem Ort verloren.



Der restliche Aufstieg bis zur ersten Scharte war dann kein Hexenwerk mehr und erfolgte relativ schnell. Blick zurück - Blick voraus! Vor mir lag ein schönes Einschnittstal, an dessen Ende sich die Weite in Richtung Poebene abzeichnete und ein wahnsinnig schönes Panorama bot. Über einen einfachen, kurzen Abstieg gelangte ich bis in einen Bereich einer großen Wiese und einem sich maändernden kleinen Bach, der aus einer nahen Quelle hervorging und am Horizont verschwand. Ein riesiger Felsblock lag inmitten dieser Wiese und lud mich zu meiner Mittagspause ein. Ich musste erstmal hochkommen, was gar nicht so einfach war, aber oben bot er mir wahnsinnig gemütlich einen Platz zum Essen und Trinken. Ich hatte noch Käse, Salami und etwas Brot und so war es eine richtige Mittagspause - nicht nur mit Riegel und Obst. Ich saß dort bestimmt eine Dreiviertelstunde in der Sonne. Es wehte immer wieder ein kühler Wind und man spürte auch ein paar winzige Regentropfen - obwohl keine Wolken über mir waren! Warum, sollte ich noch erfahren!



Nach der Pause musste ich noch mal ca. 160 Höhenmeter erklimmen bis zur zweiten Scharte, bevor dann der im Wanderführer angekündigte steile, in einem Grashang liegende Abstieg erfolgen sollte. Der Aufstieg war wieder nicht das Problem und bereits nach 20 Minuten stand ich oben an der Scharte. Von dort sah ich, dass in weiter westlich gelegenen Teilen Regenschauer hinunter gingen und so konnte ich mir erklären, warum ich in der Mittagspause immer wieder Regentropfen gespürt hatte. Der starke Wind hatte diese aus den Tälern mit Regen bis zu mir geweht. Es war aber so wenig, dass die Regentropfen die Wiese und den Weg nicht nass machten und das war auch gut so.



Der Abstieg hatte es wirklich in sich: es war ein wahnsinnig steiler Grashang, der Weg sehr schmal und in Teilen nur Erdboden, und diese Kombination kann bei Regen echt heikel werden - würde ich sofort unterschreiben. Zum Glück war es aber trocken und so musste man sich zwar voll konzentrieren - jeder Schritt musste gut überlegt werden - aber es war nicht kritisch oder gefährlich. Erst in Serpentinen, dann immer wieder am Hang entlang und über kleine Grashügel ging es stetig hinab, aber immer am Steilhang entlang. So sollte es auch bis ins Tal hinunter bleiben. Zwischendurch musste ich nur mal wieder meinen Schnürsenkel reparieren. Inzwischen steht es 3:1 für den rechten Schuh in Bezug auf das Abreißen der Schnürsenkel - und ich bin gerade mal 100 km mit ihnen gelaufen.



Vom Grashang mit teils sehr engen und etwas kniffligen Passagen über Felsblöcke und Bachläufe gelangte ich schließlich bis in einen Wald, aber selbst dort war der Weg wahnsinnig steil und seitlich geneigt, was es nicht einfacher machte und bei Nässe sicherlich auch schwierig sein lassen konnte. In Serpentinen verlor ich immer mehr an Höhe, bis ich an einem großen Bachlauf kam. An ihm ging es dann noch entlang, der Weg wurde breiter und schlussendlich konnte ich auf breiten Mauern, die das Bachbett einschlossen, entlang laufen. Ein letztes Mal den Bach querend und durch einen Wald wandernd erreichte ich am Nachmittag die Ortschaft Usseglio, meinem heutigen Ziel. Ich fragte in einem Jugendstil-Hotel nach einer Unterkunft, und nachdem der Preis völlig in Ordnung ging, buchte ich mich dort ein. Meine erste Aktion: ich genehmigte mir ein Eis - das hatte ich mir heute irgendwie verdient. Es war wirklich eine wahnsinnig schöne Etappe gewesen, und dieser See hatte mich wirklich verzückt. Und so wurde aus meinem Glück im Bauch über das schöne Wetter am Morgen und dem verlorenen Herzen am wundervollen See ein traumhafter Tag.



Vor dem Abendessen erkundente ich noch etwas die Umgebung, fand gegenüber am Vereinsheim des Sportplatzes ein paar Mineraliensteine und einen schön angelegten Park mit Springbrunnen und Bänken außen herum. Ich setzte mich ein bisschen hin und genoss die Ruhe, sehr viel mehr schaffte ich an diesem Tag nicht mehr.



Für Morgen ist dann eine etwas entspanntere Etappe mit dem Weg über die alte Bahntrasse vorgesehen. Ich bin schon gespannt, weil im Wanderführer steht, dass dieser Wegabschnitt nur für Abenteurer ist. Da bin ich natürlich gerne dabei. Wie es dann schlussendlich war, kann ich euch erst im nächsten Blog erzählen.


Bis dann, habt eine gute Nacht.


Ciao, Knut

71 Ansichten4 Kommentare

4 комментария

Оценка: 0 из 5 звезд.
Еще нет оценок

Добавить рейтинг
Miriam P
Miriam P
12 сент. 2024 г.

Oh, dieses Biwak Häuschen da in der Einsamkeit wäre auch etwas für mich. Das sieht ja wirklich super aus. Großartige Fotos von dieser Etappe, vielen Dank!

Лайк
Knut
Knut
12 сент. 2024 г.
Ответ пользователю

Hi Miriam!


Das war echt schön, aber ist - so sah es zumindest für mich aus - gar nicht so selten besucht.

Aber wenn man Glück hat und niemand anderes auf die gleiche Idee gekommen ist, wäre es echt traumhaft schön! Zum See waren es vielleicht 10 Minuten. Und vor dem Biwak war eine Feuerstelle....


Wäre auf alle Fälle eine Reise wert, der See und das Biwak!


Gruß, Knut


Лайк

LIP
11 сент. 2024 г.

Es freut mich, daß Du einen so schönen Tag hattest! Wenn jetzt auch das Bett lang genug war... 😄


Aber natürlich bin ich noch mehr gespannt auf den nächsten Bericht... 🚂

Лайк
Knut
Knut
11 сент. 2024 г.
Ответ пользователю

Den du ja prompt bekommen hast.... 😂

Лайк
bottom of page