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Schnee(im)schuh-Wanderung

Ich hatte es tatsächlich geschafft und war mit Anziehen, Packen und Vorbereiten noch vor dem Frühstück fertig. Heute muss ich rechtzeitig los, es sind viele Kilometer zu laufen, zusätzlich mit einigen Höhenmetern gespickt.

Und so konnte ich nach dem einfachen, aber leckeren Frühstück bezahlen und mich auf den Weg machen.


Den erste Teil des Weges kannte ich schon. Ich musste den letzten Anstieg von gestern wieder zurück ins Tal, immerhin auch fast zweieinhalb Kilometer. Nur war es diesmal umgekehrt - ich fand den Weg heute einfacher und entspannter zu gehen - bergab. 😁

Noch mit Regenjacke und Regenrock gestartet, merkte ich relativ schnell, dass es fast zuviel an Kleidung ist, die ich heute anhabe. Beim ersten Anstieg zog ich bereits Regenjacke und Langarmshirt aus, es ging sogar im T-Shirt. Durch einen Wald neben einem Wildbach wanderte ich bergauf, überall fanden sich Pilze - gute und nicht so gute Pilze. Da ich aber beide nicht esse, war es egal, wer gut und wer nicht so gut war. Der Weg war schön zu gehen, ein Wanderweg der normalen Sorte, ein paar Wurzeln, ein paar Steine, immer wieder Wasser, zwischen Bäumen und Felsen hindurch.



Nach eineinhalb Stunden des Aufstiegs wurde der Weg flacher und der Wald lichtete sich. Eine Hochfläche trat in Erscheinung, mit weidenden Kühen, alten Steinhäusern und einer wunderschönen Bergkulisse außen herum. Nur der Schnee oben gefiel mir nicht so, ich war aber auch nicht überrascht, schließlich hatte ich die letzten Tage ja mitbekommen und gesehen, dass in großer Höhe schon der erste Schnee liegt.

Durch einsetzenden Wind wurde es mir nun aber echt zu kühl. Also alles wieder angezogen, das Halstuch als Kopfbedeckung umfunktioniert.



Ich musste in Richtung des Endes des Tales, dort wurde ich in einem zweiten Aufstieg in ein ruhiges, einsam gelegenes Tal mit See geführt. Leider war es inzwischen aufgrund der Höhe sehr nebelig bzw. wolkig, es lag ein bisschen Schnee, sodass kein so traumhaft schönes Bild entstand, wie wenn man hier bei Sonnenschein und 20 Grad vorbeikommen würde. Und an eine Pause war sowieso nicht zu denken. Wenn ich stehen blieb, wurde es innerhalb von Minuten kühl! Also (leider) weiter.



Es folgte der Anstieg zum ersten Pass des heutigen Tages, der bei 2.400 mNN liegt. Von einzelnen Schneefetzen links und rechts, ging es über in einen schneebedeckten Weg, erst nur zart überzuckert, im weiteren Verlauf geschätzt 5 bis 10 cm. Zum Glück war der Weg gut zu erkennen, nur die Steine unter dem Schnee forderten die Aufmerksamkeit, bei jedem Schritt wurde der Fuß, ohne es vorher sehen zu können, anders belastet oder verdreht. Und so arbeitete ich mich nach oben, der Ausblick wurde immer weniger, der Schnee immer mehr, die Temperaturen gingen noch ein Stückchen nach unten. Und so erreichte ich bereits um kurz nach 11e den Passo Tesino (2.400 mNN). Brrrrrr, war das kalt. Es ging ein Wind (ist ja normal an einem Pass) und so entschied ich mich, gar nicht lange zu verweilen. Warum auch.... konnte eh nichts sehen.



Der Weg nach unten war ebenfalls gut zu erkennen, und so dauerte es auch mit dem Durch-den-Schnee-Stampfen nicht ewig, bis ich in bessere Gefilde kam, wo der Schnee deutlich weniger wurde, die Steine wieder ans Tageslicht hervortraten und ich etwas einfacher laufen konnte. Es ging über nasse und glitschige Steinwege. Aber nicht schwierig, weil nicht zu steil. Nur alles nass und feucht und kalt. Noch an zwei kleinen Seen vorbei, folgte anschließend ein neuer Anstieg.



Nicht wahnsinnig viel, aber er lag von der Ausrichtung so, dass von hinten (zum Glück) eine steife Brise wehte. Und Nässe, Kälte und Wind zusammen sind bekanntlich kein laues Sommerwetter. Im Zickzack ging es nach oben, der Nebel verhüllte wieder alles, ich lief nur, um in Bewegung zu bleiben und voran zu kommen. Nach gefühlter Ewigkeit erreichte ich eine Hochfläche. Es zog, aber ich musste mir etwas trockenes anziehen, denn nun folgte eine längere Strecke ohne großen Anstieg, da schwitze ich nicht so arg, kühle aber sofort aus. Ich holte also bei leichtem Nieselregen und kalten Böen ein trockenes T-Shirt raus, zog mich um, genehmigte mir auf die Schnelle vier Scheiben Schinken, ein Stück Käse und Brot, was ich mir aber wirklich nur reinschob - es war alles andere als gemütlich zum Pause machen. Aber essen musste ich auch mal was. Ich lief weiter, passierte einen Grenzstein und wanderte zum ersten Mal in Frankreich - yeah! Dieses Land hat mir noch gefehlt in meiner Wien-Nizza-Ländersammlung. Es waren aber nur einige Meter, immer an der Grenze entlang, mal in Italien, dann wieder Frankreich. Aber schlussendlich blieb ich in Italien.

Der Wind kam steif von der Seite. Man hörte ihn durch die Lärchen rauschen, ich zog die Kapuze meiner Regenjacke tiefer ins Gesicht. Die Stecken packte ich an den Rucksack, damit ich meine Hände verstecken konnte. Ohne groß Nachdenken, Schritt für Schritt, lief ich den Höhenrücken entlang. Immerhin war ich rund 5 km auf der Anhöhe unterwegs, fast immer den Wind von der Seite. Puuuh.



Besser wurde es erst, als ich ans Ende des Tales kam, an dessen oberen Rand ich wanderte. Dort war ein Straßenpass (Col de la Lombarde) zwischen Italien und Frankreich, mit Parkplatz und Kiosk - der natürlich zu war. Hier traf ich zum einzigen mal an diesem Tage auf Menschen. Keine Wanderer (klar, wer wandert auch bei so einem Wetter), nur zwei Spaziergänger mit Hund, ansonsten ein paar Fahrer in ihren Autos.

Ein Stück musste ich auf der Straße laufen, war aber angesichts der drei Autos, die währenddessen vorbei kamen, nicht so dramatisch.



Und dann hieß es, den letzten Aufstieg anzugehen, noch einmal 350 Hm rauf, bevor der Schlussabstieg mit ca. 700 Höhenmeter mich zum Refugio Malinvern bringen sollte.

Der Blick nach vorne bzw. oben ließ mich etwas stutzen. Okay, dass auch am zweiten Pass, der mit 2.600 mNN nochmal 200 m höher lag als der erste Pass, Schnee liegen würde war mir klar. Das sah aber nach verdammt viel mehr Schnee aus. Aber gut, ich konnte von hier unten schon den kompletten Wegverlauf erkennen, dann sollte es nicht so schlimm sein. Tja, wieder einmal falsch gedacht, Herr Ettling! Schönreden bringt nichts!


Im unteren Teil ging es mit einem leicht schneebedeckten Weg los. Links und rechts Steinmauern, dazwischen vielleicht 5 cm Neuschnee. Doch dieser wurde sehr schnell mehr. Und aus dem beidseitig eingemauerten Weg wurde ein am Hang liegender Pfad. Zwar breit, mit bergseits kleinen Steinmauern (was das Erkennen leicht machte), aber die Schneeschicht wurde dicker und dicker. Es kam noch der Schnee dazu, der durch den Wind hingeblasen wurde, in einigen Spitzkehren versank ich bis zum Knie im Schnee. Anhand meiner Stecken, die teilweise bis zum oberen Schnellspanner eintauchten, konnte ich erahnen, wie tief es neben meiner Laufspur noch war. Neben dem Schnee kamen dann auch wieder die Wolken dazu. Ich war echt am Überlegen, ob es sinnvoll ist, den Weg weiter zu verfolgen. Aber was war die Alternative? Zurück, okay, und dann? Keine Infrastruktur, ewige Wegstrecken bis zur nächsten Unterkunft.

Durch den Umstand, dass ich trotz des vielen Schnees keine kritischen Situationen hatte (im Sinne von ausgesetzt, kritisch steil oder Weg nicht sichtbar) blieb ich dabei - und stapfte weiter durch den Tiefschnee. Gestern hatte mein Wanderzwilling in einem privaten Chat noch (ohne Vorwissen auf den heutigen Tag) "Schneeschuhalarm" geschrieben und mit einem lachenden Emoji versehen - heute hätten sie mir tatsächlich geholfen.



Nach einer dreiviertel Stunde Kampf erreichte ich den Pass d'Orgials auf 2.600 mNN. Was eine anstrengende Passage. Und das nach bereits gut 17 km Wegstrecke und 1.150 Hm rauf, die ich (ohne Pause) hinter mir hatte. Ich war echt fertig - aber auch froh und ein Stück weit glücklich. Der Weg des Abstiegs war ebenfalls sehr gut ersichtlich. Und so musste ich mich 'nur' durch die dicke Schneedecke und die Schneeverwehungen arbeiten. Auch hier ging es aufgrund des relativ breiten Weges ohne kritische Situationen vonstatten. Nur zog es mir beim Eintauchen in den Schnee immer wieder die Hosenbeine hoch und der Schnee ging in die Schuhe. Aber ehrlich gesagt war das auch schon egal - es war eh alles klitschnass, verständlicherweise.



Der Abstieg ging schneller voran als der Aufstieg, logisch, und so merkte ich sehr bald, dass der Schnee und meine Anspannung weniger wurden. Ab einer Höhe von ca. 2.300 mNN war dann kaum mehr Schnee vorhanden, und ich konnte beruhigt, dass ich auch diese Herausforderung geschafft hatte, die letzten Meter abspulen. Über einen schönen Wanderweg mit Steinen, Wurzeln und ohne übermäßigem Gefälle schraubte Ich mich ins Tal hinab. Statt Schnee war nun überall Wasser auf und neben dem Weg. Ich war froh, als ich gegen viertel nach 4e endlich am Refugio Malinvern ankam.



Platz hatte ich ja schon, Raffaelle war ja so freundlich gewesen. Und so konnte ich mein (arschkaltes) Zimmer beziehen und bekam glücklicherweise einen Heizlüfter dazu. Sonst wäre ich eingegangen - und meine Kleidung niemals trocken geworden. Ich holte später sogar (unerlaubterweise?) meine Schuhe ins Zimmer, um sie auf den Heizkörper zu stellen, die wären im Schuhregal nie auch nur annähernd trocken geworden.

Ich war echt fertig. Meine Beine, Arme und mein Rücken lahm, das Aufstehen vom Tisch hätte mein Dad geschmeidiger hinbekommen.

Aber ich war auch stolz: 23,9 km Strecke, 1.480 Hm rauf, 1.310 Hm runter - und das in 7:45 Stunden, mehr oder weniger ohne Pause und bei den Witterungsverhältnissen abgespult. Und den Tiefschnee ohne gefährliche Situation gemeistert. In nicht mal vier Monaten habe ich dieses Jahr alle vier Jahreszeiten durchgemacht. Obwohl mir der Herbst schon etwas sehr kurz vorkam.


Morgen wird es wohl auf einen ähnlichen Tag hinauslaufen, was Wetter, Sicht (nämlich Null), und Schneeverhältnisse angeht. Nur beim Schnee müsste es weniger sein, ich komme nicht ganz so hoch hinaus. Und die Strecke ist kürzer.

Aber das ist dann die Samstags- und nicht die Freitagsstory. Habt einen guten Einstieg ins Wochenende!


Grüße aus den winterlichen Bergen


Knuti


P.S. bei so viel Nässe musste es ja passieren. Es steht 4:1 für den rechten Schnürsenkel.

92 Ansichten2 Kommentare

2 комментария

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uettling
21 сент. 2024 г.
Оценка: 5 из 5 звезд.

Wenn Du alt und kreuzlahm wie Dein Vater wärst würdest Du unten im Sessel sitzen und mit dem Fernglas zuschauen ! Und dann schon vom zuschauen nicht mehr aus dem Sessel hochkommen. Aber von uns ein höchstes Kompliment für Deine Leistungen !!! Übrigens laut Schuhsolenaddruck müßten diese bis Nizza durchhalten, was ich bei den Schnursenkeln bezweifle !!! (Deutsche Qualität made in China)

Herzlichst B u U

Лайк
Knut
Knut
22 сент. 2024 г.
Ответ пользователю

Hi Dad!


Aber beim Aufstehen vom Tisch sah es wirklich so aus, als ob ich gleich zusammenbrechen würde. 😂

Nicht, dass es bei dir immer so aussieht, aber gefühlt war ich nicht so weit entfernt.

Vielen Dank für dein/euer Kompliment, das freut mich!


Ja, DIESE Schuhe halten bis zum Ziel, und Ersatz-Schnürsenkel habe ich noch im Rucksack. Zur Not muss ich meine Wäscheleine opfern.... 😱


Grüße vom Wanderer


Лайк
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