Nachdem ich in einem Hotel untergekommen war, hatte ich ein besseres Bett in der Nacht gehabt und entsprechend etwas besser geschlafen. Nur abends hatte ich es nicht so richtig geschafft, ein Ende zu finden. Aber die heutige Tagesetappe war nicht so wahnsinnig weit, nur wieder viele Höhenmeter rauf, danach in gleicher Weise runter bis nach Talosio. Macht 14 km, knapp 1.200 Hm rauf sowie 900 Hm runter.
Während des (normalen) Frühstücks wurde ich von einem Franzosen angesprochen, der ebenfalls auf einer Weitwanderung ist - von Triest nach Monaco, bereits seit 2 Monaten unterwegs. Respekt, er geht etwas schneller als ich und schafft mehr Höhenmeter am Tag. Und ist älter als ich.... 🙈
Aber: nicht mit anderen messen, es gibt immer jemanden, der deine Tour schneller und krasser absolviert. Daher: Hut ab - ich mache aber meins!
Das Gespräch hatte mich etwas aufgehalten, dennoch kam ich irgendwann los und nutzte noch ein bisschen die Sonne. Es war aber klar: es wird nicht den ganzen Tag so bleiben! Die Wetter-App hatte für Mittag Regen vorhergesagt, zum Glück aber keine Gewitter.
Und los, zum Fluss, ein Selfie auf der Brücke, und weiter Richtung Aufstieg. Ich kam an ein paar alten Gebäuden vorbei, die nach Industriedenkmal aussahen: Holzkanäle, Schaufelräder, Stahlträger - alles wirkte geordnet und restauriert, also müsste es etwas besonderes sein. Und ja, neben dem (verschlossenen) Eingang stand "Kupferschmiede". Sehr schön! Nur eben nichts weiter zu sehen als die äußeren Teile des Gebäudes.
Nach der Querung der beiden Flüsse "Soana" und "Forzo" begann der Aufstieg, der heute ausnahmsweise die ersten drei Kilometer über eine Asphaltstraße ging. Dennoch ordentlich steil, aber da kein Auto vorbei kam, war es in Ordnung. Durch den Regen in der Nacht war alles nass, da läuft es sich auf einen Asphaltoberfläche sehr gut, weil griffig (im Gegensatz zu Matsch oder Wiese).
An einer letzten Alpe vorbei, wechselte ich in den Wald. Die Wolken zogen immer mehr zu, die Sonne wurde weniger und der Nebel kroch das Tal hinauf. Irgendwann begann es dann wie angekündigt zu regnen. Nur leicht, kein strömender Regen, aber dennoch so viel, dass es ohne Regenjacke zu nass war. Ich arbeitete mich den Berg nach oben, außer Kuhglocken war nichts zu hören oder zu sehen. Ich hatte immer damit gerechnet, dass ich im Laufe des Aufstieges die beiden Männer Robert und Klaus einholen würde, in den weichen und matschigen Wegabschnitten sah ich aber keinerlei frische Fußspuren. Die beiden wollten mit dem Bus die Lücke schließen, die ich ja gestern noch (mehr oder weniger zwangsweise) komplett gelaufen bin. Und der Bus fuhr morgens - sie müssten also vor mir sein. Mal sehen...
Gegen Ende des Aufstieges lichtete sich der Wald, ich musste über Wiesen, die für Weidewirtschaft genutzt und entsprechend vollge.... waren. Zum Glück interessierte das die Murmeltiere nicht, die ich erblickte. Lange her, dass ich welche gesehen hatte - sind schon putzig die Fellknäuel mit ihren wackeligen Hintern. 😂
Kurz vor der Scharte, zu der ich heute musste, stand links noch ein kleines, an den Fels gebautes Häuschen. Keine Ahnung für was, sicherlich aber nicht fürs Wohnen. Aber irgendwie fand ich es süß! Noch durch eine enge Felsspalte, gerade so breit, dass ich mit dem Rucksack und Zelt durchkam, eröffnete sich eine von allen Seiten von kleinen Hängen umschlossene Fläche: die Pian delle Mache, dem "Platz, wo die Hexen tanzen". Uuuuuh - wie aufregend. 😱 Naja, eher nicht. 😁
Mit Blick in das nächste Tal musste ich einen Grashang entlang. Wenige Höhenmeter noch, dann war ich am höchsten Punkt meiner heutigen Tour. Der Grasweg war nicht so ganz einfach zu gehen, durch die Nässe musste man sehr konzentriert seine Tritte setzen. Dabei sammelte ich mal wieder alles Wasser mit den Schuhen auf, das an den Halmen hing. Ein paar Meter nach oben, eine Stelle über einen Felsen mit Holzstufen gesichert. Und so erreichte ich den höchsten Punkt, leider etwas unspektakulär, nur mit einer Steinpyramide gekennzeichnet. Und da es windig, kühl und feucht war, hielt ich mich auch gar nicht lange auf.
Also weiter, am Hang entlang, bis zur nächsten Scharte, an der dann der eigentliche Abstieg begann.
Dort traf ich auf ein junges Pärchen, dass eine kurze Pause machte, und ich sprach sie direkt auf Deutsch an - was sonst!?
Ja, sie laufen auch die GTA, und ja, wollen auch nach Talosio, aber sie kommen aus der Schweiz! 😳 Upsi! 😂
Und sie fragte mich: "Bist du der, der in Wien gestartet ist?" Oh, mein Ruf eilt mir voraus - ist das jetzt gut oder eher nicht!? Sie hatten in der letzten Unterkunft zwei Deutsche kennengelernt (Robert und Klaus), die hätten von mir erzählt. Und nein, die beiden laufen nicht weiter, das schlechte Wetter hat sie veranlasst, wieder heim zu fahren. Vernünftig, wenn man nur ein paar Tage unterwegs ist und es jeden Tag regnen soll.
Dann trifft man sich in Talosio? - Ja! - Sehr schön, guten Abstieg. Bis später!
Ich machte mich an den Weg hinab ins Tal, zum Glück hatte der Regen bereits am Hexentanzplatz aufgehört. Durch eine Schafherde, an einer Alpe mit Mutterschaf-Lämmchen-Kombo vorbei und durch einen halb zerstörten Birkenwald hindurch ging es Richtung Tal.
Pause hatte ich ja noch keine gemacht, da kam die Bank auf einem Grashügel mit Blick aufs Ziel ganz gelegen. Hier war es auch nicht so windig, kalt und feucht wie oben. Und als ich mich niedergelassen hatte, zeigte sich auch die Sonne - wie schön. endlich ein bisschen trocknen. Aber nur ein bisschen - so wie ich heute wieder geschwitzt hatte, bräuchte ich drei Stunden in der prallen Sonne.
Den letzten Abwärtsabschnitt konnte ich dann frisch erholt in kurzer Zeit schaffen. Ich erreichte die Trattoria "The Wolf", fragte nach einer Übernachtung, und war erstmal froh, untergekommen zu sein. Bingo.
Aber diese Freude dauerte nicht so ewig. Mit dem Schweizer Pärchen und den Kindern der Gastgeber gingen wir fünf Minuten durchs Dorf zur alten Schule, die inzwischen als Posto Tappa (übers. Haltepunkt, entspricht Unterkunft) verwendet wird. Der Sanitärbereich war schon sehr verranzt, und die Schlafräume einfach nur Zimmer, in denen Feldbetten nebeneinander standen. Eine Einbauküche ohne Funktion ließen das Gesamtbild echt übel erscheinen. Und da es morgen so heftig regnen soll und es wahrscheinlich nichts mit Wandern wird, überlegten die Beiden, sich mit einem Taxi gleich in den nächsten Zielort San Lorenzo fahren zu lassen - wenn ich mit wollte!? 🤔
Hier war echt kein schöner Platz, um einen ggf. notwendigen "Schlechtwettertag" zu verbringen, bislang waren auch alle beteiligten Personen nicht gerade freundlich und aufgeschlossen gewesen.
Aber da es mit einem Wegkommen von Talosio an diesem Nachmittag bzw. Abend nichts mehr wurde, blieben wir allesamt hier.
Nach einer Grundreinigung in der nicht sehr erquickenden Dusche - immerhin gab es warmes Wasser- und dem Studium der Wetter-Apps viel die Entscheidung, dass wir für Morgen früh ein Taxi bestellen. Die nächste Etappe hatte es in sich, war länger als sonst und hatte sehr viele Höhenmeter inbegriffen. Und das bei dem schlechten Wetter, nein, dass wird kein Spaß. Und ist gefährlich.
Das Abendessen überraschte mich dann aber gewaltig. So wenig redsellig und einfühlsam die ganze Familie bislang agiert hatte, so besser und umfangreicher war das Essen: Vorspeisen mit kaltem Braten und Rucola, Tomaten mit Ricotta, Eier mit Mayonnaise und schwarzen Oliven, Kutteln-Salat, Nudeln mit Tomatensoße, paniertes Schnitzel mit Pommes bis hin zu einem Teller Käse war alles dabei. Für uns drei! Wahnsinn. Wir konnten am Ende nicht mehr. Und mit einer Flasche Rotwein dazu hatten wir nach 2 Stunden Essen eine gute Bettschwere erreicht. Toll! Also so umfangreich hatte ich selten gegessen. Passte nicht ins Bild - war aber um so erfreulicher.
Abends fing es dann mit dem angekündigten Regen an. Und zwar ordentlich. Es wehte ein kräftiger Wind, es blitzte und donnerte (hört sich in den Bergen ja nochmal schlimmer an) und der Regen peitschte gegen das Dach und die Fassade. Puuh, das kann morgen was werden.
Aber genau das sehen wir Morgen, für heute ist Schluss.
Gute Nacht, bis dann!
Knut
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